Die menschliche Fantasie stellt ohne Zweifel die wichtigste Zutat unserer modernen Rollenspiele dar: eigene Charaktere zu erfinden, auszubauen und sie durch spannende Abenteuer zu führen, das ist es, was uns so sehr an diesem Genre fasziniert. Hinzu kommen die fremden, oft archaischen Welten mit ihren wunderbaren Wesen und magischen Eigenheiten. Doch ganz praktisch gehört auch das passende Spielmaterial dazu; am Tisch handelt es sich hierbei oft um Würfel und Karten, manchmal kommt auch ein drehbares Rad dazu. Wo liegen eigentlich die Wurzeln dieser uralten Spielobjekte?
Die Macht der Würfel
Das Würfelspiel blickt auf eine derart lange Geschichte zurück, dass sie sich nicht mehr bis in die frühesten Anfänge nachvollziehen lässt. Wahrscheinlich gibt es keinen einzelnen Ursprungsort für diese Art des Vergnügens, sondern die eckigen Spielsteinchen wurden in verschiedenen Gegenden zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt. Die Grundidee ist schließlich gar nicht so weit hergeholt! Urzeitliche Würfel bestanden natürlich aus den Materialien, die die Menschen gerade zur Verfügung hatten: zum Beispiel aus den Knochen von Beutetieren, aus zurechtgeschnitzten Fruchtkernen, aus Holz oder aus Stein. Rollenspieler wissen im Gegensatz zu eingeschworenen Mensch-ärgere-dich-nicht-Freunden, dass Würfel längst nicht immer nur 6 Seiten besitzen müssen; unsere mehrseitigen Formen sind allerdings keine Erfindung der Neuzeit, auch sie gibt es bereits seit Jahrtausenden, ebenso wie der etwas seltsam geformte fünfseitige Würfel.
In der Antike, genauer gesagt zu Zeiten des Römischen Reiches, lässt sich die Existenz des Würfelspiels zum ersten Mal konkret geschichtlich nachweisen; zu den großen Feierlichkeiten der Saturnalien gab es sogar eine offizielle Erlaubnis des sonst verbotenen Zeitvertreibs. Heute noch existieren uralte Würfelspielformen wie das in modernen Spielbanken angebotene Craps, die sich im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert haben. Außerdem lassen sich inzwischen digitale Würfelsimulationen ganz herrlich nutzen, wenn der analoge Würfel mal wieder die Biege gemacht hat. Den virtuellen Spielsteinen gelingt auch ein wichtiger Schachzug, über den sich bereits die alten Römer Gedanken machten: sie verhindern Tricksereien und Schummeleien. In der Antike erfanden clevere Spielefans deshalb schon den Würfelbecher, der ein gelenktes Platzieren der Würfel beinahe unmöglich macht. Damals bestand das praktische Utensil aus Metall oder Ton, heute treffen wir hauptsächlich auf Plastik- oder Lederbecher. Der römische Würfelturm als noch verlässlichere Variante konnte sich in modernen Zeiten allerdings nicht allgemein etablieren, die Turricula bestand aus einem Kästchen mit verschiedenen Verstrebungen in seinem Inneren, das erst dann einen Zugriff auf die Würfel bot, wenn das Ergebnis ohnehin schon feststand.
Fortunas Glücksrad
Auch das drehbare Rad ist gar nicht mehr so jung, bereits in mittelalterlichen Darstellungen ist es gemeinsam mit Fortuna zu sehen, die als junge Frau dargestellt den Mechanismus in Bewegung setzt. Dieses Motiv weist auf die Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens hin, das schon im nächsten Moment ganz anders verläuft als geplant. Auch die alten Römer sollen bereits so etwas wie ein Glücksrad gekannt haben, in ihren Heerlagern ließen sie angeblich abmontierte Wagenräder rotieren, um sich die Zeit zu vertreiben.
Der grundsätzliche Gedanke des Glücksrads wurde anschließend über die Zeit regelmäßig weiterentwickelt, im 17. Jahrhundert gipfelte es dann in dem Italienischen Roulette. Diese Spielform schwappte dann nach Frankreich rüber, wo Napoleon Bonaparte im Jahre 1806 das Glücksspiel erstmals erlaubte. Etwa 30 Jahre später begann der Siegeszug der großen deutschsprachigen Casinos wie Baden-Baden und Bad Homburg, seitdem ist Roulette ein fester Teil der Gesellschaft. Im 21. Jahrhundert erfreut sich dieser Klassiker noch immer größter Beliebtheit, insbesondere durch die technologische Revolution ist es einfacher zu spielen als je zuvor. Inzwischen lässt sich Roulette sogar jederzeit ganz modern auf dem Smartphone zocken, eine Entwicklung, die als undenkbar galt, war doch noch vor 15 Jahren jede Partie mit einigem physischen Aufwand und einem Spielbank-Besuch verbunden. Doch der Spieltrieb des Menschen setzte sich zu allen Zeiten trotz der bestehenden Hindernisse durch, die Digitalisierung verändert nicht nur Rollenspiele, sondern auch historische Games gleichermaßen.
Roulette stellt im Grunde genommen also eine Weiterentwicklung des römischen Drehrades dar, es besaß zu Anfang 38 Zahlen. Trotz der massiven Verbreitung des spannenden Kesselspiels in ganz Europa, kam auch der große Bruder – Fortunas angestammtes Spielzeug – nebenher nie ganz aus der Mode. Verfolgen wir aber noch ein wenig die Spuren des Roulettes, denn an dieser Stelle wird es richtig spannend: bis heute wird seine Erfindung noch häufig dem Wissenschaftler Blaise Pascal zugeschrieben, der allerdings in Frankreich und nicht in Italien lebte. Pascal beschäftigte sich intensiv mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Suche nach dem berüchtigten Perpetuum Mobile. Zu diesem Zweck baute er sich unter anderem auch rouletteähnliche Kugelkessel, deren Funktion dem heute bekannten Spiel zumindest ähnelten. Wahrscheinlich bauen auf seine Forschungen auch die zahlreichen Gerüchte auf, das Rouletterad sei mathematisch auszutricksen, um sich bessere Gewinnchancen zu sichern. Einen Beweis für diese steile These gibt es aber leider bis heute nicht – und auch Blaise Pascal hat ihn nie geliefert.
In heutigen Rollenspielen fristet das Glücksrad und auch Roulette jedoch ein Schattendasein. So gibt es zwar Regelwerke, die statt Würfel ebenso ein drehbares Rad vorsehen, in der Praxis wird dies jedoch nur sehr selten exerziert. Dabei lässt sich durch diese Elemente durchaus eine schöne Abwechslung und Auflockerung umsetzen. Auch Saloon-Aufenthalte können sich hier durch das eine oder andere Minispiel unterhaltsam durchleben lassen, es sollte jedoch überlegt werden, ob spezifische Talente Einflüsse auf das Ergebnis haben sollen. Casinos dienen für Science-Fiction bzw. Cyberpunk-Szenarien häufig ein passendes Rahmenprogramm, wo auch Roulette wieder eine Rolle spielt. Die Beliebtheit dieser Szenarien ist jedoch überschaubar, ein Großteil der Rollenspieler fühlt sich eher in altertümlichen Gegenden wohl.
Der Siegeszug der bunten Karten
Und, wer hätte das gedacht, das Kartenspiel gehört ebenfalls nicht zu den neuzeitlichen Erfindungen! Es stammt aus dem alten China, genauer gesagt aus der Tang-Dynastie zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert. In jenen fernen Zeiten nahmen die ersten Kartenspieler Knochenplatten, Fliesen oder – ganz edel – Elfenbeinspielkarten zur Hand, um sich vergnüglich die Zeit zu vertreiben. Ab dem 12. Jahrhundert kamen dann schwere Papierkarten auf, die mit gemalten Symbolen versehen waren. Ganz allmählich wanderte dieses faszinierende Spiel in Richtung Westen, die Araber statteten ihre Kartensets mit vier Farben und Rangfolgen aus. Etwa im 14. Jahrhundert erreichten erste Spielkartensets Europa, sie wurden dort mit Freude aufgenommen und nach Belieben verändert. Erste deutsche Karten waren mit Eicheln, Glocken und Blättern verziert, während die südlichen europäischen Länder noch länger an nahöstlichen Motiven festhielten. Den Franzosen gelang schließlich der große Wurf, sie stellten Karo, Kreuz, Herz und Pik zusammen und ordneten ihnen Zahlen sowie historische Figuren zu.
Auch in der digitalen Welt erfreuen sich Kartenspiele weiterhin großer Beliebtheit, sie sind sogar derart begehrt, dass Microsoft sich dazu entschied, eine Zeit lang jede einzelne Windows-Variante mit einer Solitaire-App auszustatten. User von Windows 8 und Windows 10 können sich dieses kleine, aber feine Programm auch noch nachträglich installieren, falls sie es im neuen Betriebsprogramm vermissen sollten. Welch eine gute Nachricht! Ohnehin dienen Kartenspiele häufig nicht nur der kurzweiligen Beschäftigung in geselliger Runde, nein, sie lassen sich auch ganz allein in der abgeschiedenen Ruhe des eigenen Wohnzimmers genießen. Dazu gehört auch das analoge Solitaire, dem eine höchst entspannende Wirkung nachgesagt wird. Die berühmte Patience bietet sich ebenfalls dazu an, sich für ein paar relaxte Minuten einfach nur auf seine Karten zu konzentrieren und dabei logisches Denken zu trainieren. Ihren Ursprung soll die Patience gerüchteweise in der Französischen Revolution haben: ein gelangweilter Adeliger hatte in der Bastille nichts anderes zu tun, als immer und immer wieder die Karten zu legen.
Ergo: Der Spieltrieb des Menschen scheint sich in den letzten tausend Jahren kaum verändert zu haben, gerade wir Erwachsenen neigen auffällig häufig dazu, einfach unserem Herzen zu folgen und uns hemmungslos zu vergnügen. Rollenspiele gehören zu denjenigen Games, die der freien Entfaltung unserer Fantasie dienen – und gleichzeitig lassen sie sich herrlich mit den oben genannten, uralten Spielobjekten aufwerten: Also ein Gewinn auf ganzer Linie!