RPG
John Sinclair das Abenteuerspiel geht in die dritte Runde. Werden die Geisterjäger gegen die Vasallen des Schwarzen Todes bestehen? Wird es gelingen die Welt vor der Niederkunft des Superdämons zu bewahren? Schaffen es die Autoren unseren Rezensenten davon zu überzeugen, dass ein Erzählspiel Spaß macht, bei dem praktisch keinerlei Einfluss auf den Handlungsverlauf genommen werden kann?
Zugegeben, seit meiner ersten John Sinclair Testrunde auf der RPC in Köln bin ich gegenüber dem Spiel eher skeptisch eingestellt. Ich erinnere mich an den Spielverlauf etwa wie folgt: die Erzählerin beschreibt in einer kurzen Einleitung welche Ereignisse das Abenteuer ins Rollen bringen. Als Nächstes beschreibt sie welche Schritte unsere Geisterjäger unternehmen, um darauf zu reagieren. Danach dürfen alle Spieler würfeln, ob sie diese vorgeschriebene Handlung erfolgreich ausführen. Erfolg oder Misserfolg der Geisterjäger wirken sich jedoch nicht direkt auf den Handlungsverlauf aus. Stattdessen läuft die Geschichte fast identisch weiter, egal welche Ergebnisse gewürfelt wurden. Dies wiederholt sich, bis irgendwann die Spieler von der Erzählerin vor zwei Handlungsoptionen gestellt werden. Erleichtert wähle ich die, die meinem Charakter am angemessensten scheint. Diese Option ist jedoch „falsch“ und führt lediglich dazu, dass ich längere Zeit zusehen darf, wie die anderen Spieler abermals würfeln – natürlich ohne dass sich dadurch irgendetwas am Verlauf der Geschichte ändert.
Später lese ich im Ulisses Blog nach, das Ziel des Spielkonzeptes sei, „den Spielleiter komplett aus dem Spiel zu nehmen“. Ein sehr spannendes Projekt, dass vor allem Einsteigern den Weg zum Pen & Paper Rollenspiel bereiten soll. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass nicht nur Spielleiter sondern auch Spieler komplett aus dem Spiel genommen wurden. Das Konzept „Einer sitzt mit dem Buch am Tisch und liest den Anderen eine Geschichte vor“ besitzt in meinen Augen zwar durchaus Potential für einen unterhaltsamen Abend, aber Kooperatives Erzählen aus dem Rollenspiel zu streichen wirkt auf mich, als würde man beim Fußball den Ball lediglich auf vorher festgelegten Bahnen über das Spielfeld bewegen dürfen. Kurz: ich bin negativ voreingenommen. Doch genug gejammert, schauen wir uns das Werk wenigstens mal an:
Na gut, das Cover sieht cool aus. Sehr im John Sinclair Style gehalten erwartet uns dort ein erster Ausblick auf die drei Abenteuer im Inneren. Das Layout wirkt beim Öffnen des Buches auf jeden Fall sehr übersichtlich. Die neuen Karten sind dort abgebildet, wo sie benötigt werden und die kurzen, prägnanten Notizen am Rand sollten gerade für unerfahrene Erzähler eine schnell auffindbare Hilfe darstellen. Leider entfernen sich die Illustrationen im Inneren stilistisch teilweise recht weit vom Cover und wirken dadurch eher funktional. Hier hätte man durch größere Nähe zu den Romancovern sicherlich noch stärker die Pulp-mäßige Stimmung des Sinclair-Universums transportieren können. Funktional und Schön hingegen sind die Handouts im Anhang, welche praktischer Weise zusätzlich im Klartext vorliegen.
Den geneigten Geisterjäger erwarten in diesem Band außer neuen Abenteuern auch die dazu passenden Regelerweiterungen. Neben einigen hilfreichen Klarstellungen zu Erste Hilfe, Charaktererschaffung und 1-AP-Dingen erfahren wir hier vor allem, wie unsere Helden stärker und die Kämpfe fieser werden. An diesem Punkt kommen die neuen Karten ins Spiel:
Extreme Eigenschaften und Fachgebiete ermöglichen es den Geisterjägern, ihre vorhandenen Möglichkeiten auszubauen und damit quasi ein Level aufzusteigen. Eine ähnliche Funktion haben auch die Artefaktzusätze. Durch diese werden Gegenstände, die die Geisterjäger bereits besitzen mit zusätzliche Funktionen ausgestattet. Abgerundet wird das Ganze durch neue Ausrüstung, wie schicke oder dunkle Schuhe, die sich jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Abenteuer als besonders nützlich erweisen.
Dem Verlauf der Geschichte mehr Farbe geben sollen die Kampfdecks, sowie verschiedene Sonderboni, Sondermali und Sonderhandlungen. Die Kampfdecks sind speziell auf die entscheidenden Auseinandersetzungen des Buches gemünzt. Runde für Runde wird ähnlich den Ereigniskarten in Brettspielen eine Karte gezogen, die dem Kampf eine bestimmte Wendung gibt.
Sonderhandlungen geben den Geisterjägern im Kampf außerdem die Möglichkeit Handlungen auszuüben, die über stumpfes Angreifen oder Verteidigen hinaus gehen. Meine Lieblinge dabei: „Reifen wechseln“ und „Brennende Menschen löschen“. Schließlich erhalten nicht nur die Gegner, sondern auch die Helfer der Helden eigene Karten. Hierdurch können die Geisterjäger auf Hilfe bei schwierigen Proben hoffen und bei allzu argem Würfelpech darauf vertrauen, dass mächtige Verbündete Deus ex machina den Tag retten.
Die Geschichten selbst sind gut geschrieben, mit stimmungsvollen Texten, die den Horror, aber auch den Humor transportieren, die ein Sinclair Abenteuer ausmachen. Abzug gibt es für die vielen Schreibfehler – beim Lektorat wurde scheinbar gespart. Dennoch: lieber bereite ich den Zaubertrank mit einer „Brise“ Salz zu, als dass das Abenteuer inhaltlich Schrott ist. Das Buch liest sich sehr gut. Sicher auch dank des extremen Railroadings kann man die sehr linearen Abenteuer fast wie einen Roman lesen. Die Anmerkungen gehen auf viele Situationen ein, in denen die logische Reaktion der Geisterjäger dem geplanten Handlungsverlauf widerspricht. Der Erzähler wird auf diese Weise mit „Ausreden“ versorgt, die begründen sollen wieso die Geisterjäger doch im vorgegebenen Plot bleiben müssen. Manchmal gerät dies etwas plump – etwa wenn von drei Leuten, die die Geisterjäger anrufen würden zwei einfach nicht ans Telefon gehen. Ziemlich oft jedoch haben die Autoren Lösungen gefunden, die die Spieler ohne allzu großem Frust im Gerüst der Handlung halten sollten. Auf den genauen Verlauf der Abenteuer gehe ich hier nicht ein, immerhin hört man dass ab und zu auch Spieler die Rezensionen lesen. Allerdings darf sich die geneigte Spielrunde darauf freuen, dass die Geisterjäger eine sehr gelungene Mischung erwartet. Offenkundig geht es natürlich um nicht weniger als die Rettung der Welt. Allerdings wird dieser epische Handlungsstrang geschickt unterbrochen durch Episoden in denen unsere Helden vom Alltag eines Geisterjägers vor ganz eigene Herausforderungen gestellt werden.
Insgesamt fällt mein Urteil durchaus positiv aus. „Der Erbe des Templers“ hat mich nicht zu einem Anhänger von Abenteuerspielen bekehrt. Dafür muss ich aber anerkennen, dass dieses Buch gut gemacht ist, und das hält, was es verspricht: viele Stunden Abenteuer in der Welt von John Sinclair.
Titel: Geisterjäger John Sinclair – Der Erbe des Templers
Art: Abenteuerband
Regeln: Ulisses’ Abenteuerspiele
Sprache: Deutsch
Verlag: Ulisses Spiele
Publikationsjahr: 2010
Autoren: André Wiesler, Rick Volabee, Manfred Fischer, Markus Plötz
Illustrationen: Karsten Schreurs
Umfang: 247 Seiten
Bindung: Hardcover
Preis: 24,95 €
Rezensent: Simon Knox
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