Rezension: The Marylebone Mummy
14 Nov 2009

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Victoriana-Abenteuer

Kaufabenteuer sind eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits passen sie fast nie richtig in die eigene Kampagne und schon gar nicht zu den liebevoll ausgearbeiteten Charakteren der Mitspieler. Andererseits hindern den geplagten Spielleiter die Dinge des Lebens wie Arbeit, Familie und Freizeitangebots-Overkill oftmals daran, sich mit dem gebotenen Zeitaufwand um das Fortschreiben seiner selbstgemachten Geschichten und Abenteuer zu kümmern. Letzteres insbesondere dann, wenn man – wie der Rezensent – bereits seinen Jugendjahren entwachsen ist und die Ablenkungen vom Rollenspiel immer zahlreicher werden.

Ein gutes Kaufabenteuer sollte daher flexibel, möglichst nicht zu komplex und auch in Einzelteilen ausplünderbar daherkommen, also die vorgenannten Vor- und Nachteile optimal ‚minmax’en.

Mal sehen, ob das vorliegende Abenteuer „The Marylebone Mummy“ für das Victoriana-Rollenspiel, geschrieben von Kristian Bjorkelo und Peter Schweighofer und in englischer Sprache erschienen beim Cubicle 7-Verlag, diesen Erwartungen gerecht wird.

Victoriana ist ein Rollenspiel, dass – Überraschung – im viktorianischen Zeitalter angesiedelt ist, aber in einer Welt spielt, in der es Magie, nichtmenschliche Wesen wie Zwerge, Elfen und dergleichen gibt, aber auch Dämonen und finstere Mächte. So etwas wie Chtulhu by Gaslight mit Fantasy-Einschlag also.

„The Marylebone Mummy“ ist ein 42 Seiten starkes Abenteuerheft, das im gleichen Stil wie das Grundregelwerk illustriert wurde, also – mit Ausnahme des Einbandes – in schwarzweiß mit zeitgenössischen Stichen, ein paar Fotos aus der Epoche und gut gelungenen Zeichnungen. Das Abenteuer spielt in London und kann sowohl als Einstiegsabenteuer für eine neue Gruppe wie auch als Fortsetzung einer bereits laufenden Kampagne genutzt werden.

Hier viel von der Handlung zu spoilern ist sicher nicht im Sinne der zahlreichen Spielleiter im Lande. Die Wände haben schließlich Ohren und Eure Spieler den Link zum Rollenspiel-Almanach. Deshalb sei hier nur gesagt, dass das Ding wie ein klassisches Drama in 5 Akte gegliedert ist, den Spielercharakteren einige Ermittlungsarbeit ermöglicht, sie an der Soiree eines Liebhabers ägyptischer Kunst teilnehmen lässt und einige physische Auseinander-setzungen sowie eine Verfolgungsjagd beinhaltet. Und eine Mumie spielt auch eine Rolle, was bei dem Titel aber nicht überraschen dürfte.

Ich muss sagen, dass mich das Victoriana-Grundregelwerk nicht eben vom Hocker gerissen hat und ich deswegen eher skeptisch an dieses Abenteuer herangegangen bin.

Doch siehe da, das Ding belehrt mich eines Besseren. Das Szenario bietet genau die Dinge, die ich weiter oben eingefordert hatte.

Es handelt sich um eine einfache Geschichte, die aber stimmungsvoll erzählt wird, und die man ohne viel weiteren Aufwand auch für andere Rollenspielsysteme (CoC, Savage Worlds Rippers, mit ein wenig Aufwand aber auch in andere Epochen) konvertieren kann.

Richtig gelungen fand ich die Idee, vielen Nichtspielercharakteren, nämlich den geladenen Gästen der bereits erwähnten Soiree, eigene vom Abenteuer unabhängige Hintergrundstories zu verpassen, die man als Aufhänger für selbstgestrickte Geschichten prima verwenden kann. So hat man nicht nur ein Szenario, sondern auch gleich Plot Hooks für eine Vielzahl von Spieleabenden und kommt so locker durch den Winter.

Auch die Tatsache, dass der „Auftraggeber“ der Spielercharaktere im Dunkeln bleibt, die Verfasser des Abenteuers aber mehrere Alternativen vorschlagen, wer es denn nun sein könnte, trägt viel zur Flexibilität bei und erleichtert dem ambitionierten Spielleiter das Einarbeiten des Szenarios in die eigene Rahmenhandlung.

Einige Vorschläge, wie man die Geschichte weiterspinnen könnte (was aber keineswegs heißen soll, dass die präsentierte Handlung nicht zufriedenstellend abgeschlossen wäre), runden das erfreuliche Bild ab.

Und wer sonst gar nichts aus dem Heft gebrauchen kann: Die Rule-stats für die Mumie sind natürlich ebenfalls vorhanden….

Fazit:

So muss ein Kaufabenteuer sein. Chapeau, ich bin positiv überrascht!

Titel: The Marylebone Mummy
Art: Abenteuer
Regeln: Heresy-Engine
Sprache: Englisch
Verlag: Cubicle 7
Publikationsjahr: 2008
Autor: Kristian Bjorkelo, Peter Schweighofer
Umfang: 42 Seiten
Bindung: Softcover
Preis: ca 12,95 €
Rezensent: Stefan Frink

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